Trockenmauerweg Mallorca, Oktober 2017
Es dauerte lange, bis wir die Insel Mallorca für uns entdeckten. Lange
Zeit machten wir einen großen Bogen um sie; wir setzten sie ein Leben
lang mit dem Ballermann gleich. Aber das stimmt nicht. Das wird der
Insel nicht gerecht. Mallorca hat äußerst viel zu bieten abseits der
Touristenorte. Mittlerweile waren wir schon drei Mal auf der Insel zum
Wandern, Klettern oder aber auch, um die zahlreichen Höhlen zu
besteigen. Und schon beim ersten Mal in der Serra de Tramuntana, es ist
jetzt einige Jahre her, war uns klar, irgendwann wollen wir dieses
wilde Gebirge auf dem GR 221, dem wohl bekanntesten Wanderweg der
Insel, von Port d'Andratx nach Pollença überqueren. Die Vorfreude war
riesig bei uns. Und es passte alles. Die Wanderungen waren einfach nur
schön, fast immer hatten wir das Meer im Blick. Wie immer auf unseren
Wandertouren lernten wir sehr viele interessante und liebe Menschen
kennen, die unseren Urlaub sehr bereicherten. Die An- und Abreise
klappte gut, unsere Unterkünfte waren klasse. Wir erlebten eine
wunderschöne Zeit hier, an die wir uns immer wieder gerne erinnern
werden.
Tag 1, Anreise
Wir landen nach zwei Stunden Flug am Flughafen in Palma. Obwohl es
mittlerweile 20.00 Uhr ist, herrschen hier immer noch angenehme 24°
Celsius. Wir flogen vor gut zwei Stunden bei mickrigen 10° C in Weeze
los. Unsere Jacken wandern als erstes in die Rucksäcke, in den
folgenden Tagen wird es sich zeigen, dass wir sie erst wieder bei der
Landung in Deutschland anziehen werden. Unser Bus nach Paguera fährt
leider erst in zwei Stunden, also essen wir eine Kleinigkeit und laufen
ein bisschen am Flughafen herum. Die anschließende Busfahrt dauert
nicht lange, zu unserer Freude hält der Bus fast direkt vor unserem
Hotel, dem Paguera Treff. Noch während wir einchecken bringt uns der
nette Wirt zwei große Gläser Bier. Das sieht gut aus, so kann unser
Urlaub anfangen. Wir sitzen noch lange bis nach Mitternacht draußen auf
der Terrasse und freuen uns auf die kommenden Tage.
Tag 2, Port d'Andratx nach Finca ses Fontanelles
Pünktlich um 6 Uhr morgens werden wir von der hiesigen Müllabfuhr
geweckt. Darauf ist wirklich in jedem südländischen Touristenort
Verlass. Da braucht man keinen Wecker. Als wir mit dem Frühstück fertig
sind, ist es echt ein Wunder, dass wir überhaupt noch laufen können.
Wir konnten den vielen leckeren Verlockungen des vielfältigen
Frühstücksmenüs nicht widerstehen. Zum Glück geht es vorerst mit dem
Bus zu unserem Startpunkt nach Port Andratx. Der Bus ist erstaunlich
voll, in Andratx gibt es heute einen Markt. Unsere Wanderung beginnt
direkt am Hafen von Port d'Andratx. Wir steigen aus dem Bus und machen
endlich die ersten Schritte auf dem GR 221. Und die sind
vielversprechend.
Das Wetter ist traumhaft, die ersten Meter verlaufen
direkt am Mittelmeer. Wir lassen den Hafen schnell hinter uns,
plötzlich sind wir ganz alleine inmitten der Natur. Den Weg zu finden
ist gar nicht so einfach, wir sind froh, das GPS-Gerät dabei zu haben.
Fast auf der gesamten
heutigen Etappe gibt es so gut wie keine
Schilder, die uns den Weg weisen könnten. Nach einem kleinen Hügel
erreichen wir das Örtchen Sant Elm und gönnen uns erst mal ein Eis.
Danach geht es weiter zu dem Höhepunkt des Tages, der alten Ruine des
Klosters La Trapa. Kurz dahinter verläuft der Weg ein Stück an der
Steilküste entlang, wo wir an einer ausgesetzten Stelle, knapp 400
Meter über dem Meer, unsere Mittagspause verbringen. Anschließend geht
es nur noch gemütlich bergab bis zur Finca ses Fontanelles. Leider laufen wir die letzten 2 Kilometer über die MA 10, eine
abenteuerlich angelegte Landstraße, die sich über das komplette Serra
de Tramuntana schlängelt, und die wir in den folgenden Tagen immer
wieder überqueren werden.
Unsere Übernachtungsstätte, die Finca ses Fontanelles, die von einem
Deutschen, Patrick, betrieben wird, ist grandios. An den vielen kleinen
Details sehen wir, mit wie viel Liebe sie betrieben wird. Wir fühlen
uns auf Anhieb wohl hier. Zu unserem Erstaunen sind wir, neben Michael,
einem Schweizer aus Engadin, die einzigen Gäste heute. So verbringen
wir zu dritt einen wunderschönen Abend mit vielen netten Geschichten
aus den Bergen und dem einen oder anderen leckeren Getränk.
Tag 3, Finca ses Fontanelles nach Banyalbufar
Um 7 Uhr morgens klingelt uns der Wecker aus dem Bett. Da wir nur zu
dritt auf dem Lagerplatz sind, haben wir die Waschräume ganz für uns.
Der freundliche Wirt wartet schon mit frischem Kaffee auf uns. Die
Hauskatze strengt sich richtig an, uns den Käse vom Tisch zu klauen;
uns gelingt es aber, diesen zu verteidigen. Als wir nach dem perfekten
Frühstück los laufen, lassen unwegsames Gelände, steile Anstiege und
immer wieder Kletterpassagen unsere Herzen höher schlagen. Oben am
Bergkamm angekommen, bietet sich uns ein grandioser Blick auf das Meer
und auf die Ortschaft Estellencs, die wir als nächstes durchqueren
werden. Vorerst aber legen wir eine ausgedehnte Pause ein, bei der uns
Michael mit seinem leckeren Schinken verwöhnt. Danach nehmen wir
Abschied von ihm, er läuft heute nur bis Estellencs, wir müssen weiter
nach Banyalbufar. Die Zeit mit ihm war eine Bereicherung für uns. Es
folgt ein langer Abstieg, bei dem wir 800 Höhenmeter hinunter laufen.
Da wir keine Eisdiele auf unserem Weg en
tdecken, lassen wir Estellencs
schnell hinter uns. Schon bald stellen wir fest, dass unser GPS-Track
nicht dem GR-Verlauf entspricht. Das stört uns aber nicht weiter, wir
laufen die alte Variante durch die Finca Planícia, auch wenn sie
deutlich länger ist. Dafür laufen wir zwischen imposanten,
jahrhundertalten Olivenbäumen, zwischen denen Zwergpalmen, Ginster und
Rosmarinsträucher sprießen. Die Zeit scheint hier still zu stehen.
Gegen 18 Uhr erreichen wir das Hostel Sa Baronia in Banyalbufar. Im
örtlichen Lädchen decken wir uns für kleines Geld mit frischem Brot,
Wurst, Käse und genug Bier ein. Das ganze einverleiben wir uns, während
wir der Sonne bei ihrem grandiosen Untergang zusehen.
Tag 4, Banyalbufar nach Deià - Refugi Can Boi
Z
um Glück gibt es heute schon um halb acht Frühstück. Das ist gut,
heute steht eine richtig lange Etappe auf dem Programm. Wir beeilen uns
und laufen früh los. Heute könnte es laut der Wetterprognose regnen,
allerdings, als wir los laufen, scheint die Sonne und nichts deutet auf
einen Wetterumschwung hin. Die ersten Kilometer des Aufstiegs kennen
wir schon, gestern sind wir auf diesem Weg in die Ortschaft gekommen.
Kurz nach 10 Uhr erreichen wir Esporles, eine etwas größere Ortschaft,
die wir aber auch recht schnell hinter uns lassen. In einem dahinter
liegenden Wald, an einer alten Wasserzisterne machen wir unsere erste
Pause. Danach geht es auf den mit knapp über 700 m nicht all zu hohen
Gipfel der Mola de sa Comuna, von dem wir einen irren Rundumblick
bekommen. Es ist grandios. Mittlerweile glauben wir nicht mehr an den
Regen. Das Wetter ist nach wie vor super. Wir sind sogar froh, dass der
Aufstieg im schattigen Wäldchen verläuft. Anschließend geht es steil
runter nach Valldemossa. Das Städtchen liegt an einer verkehrsreichen
Straße, es ist laut und hektisch. Als wir dem entfliehen können, sind
wir froh. Leider folgt direkt danach ein Dämpfer. Wir erreichen das
Berg-Schutzgebiet „Muntanya del Voltor“, dort gibt es einen Aufseher,
der uns nicht durchlassen will. Wir hätten im Vorfeld eine Genehmigung
einholen sollen. Wohl oder übel müssen wir einen Umweg in Kauf nehmen.
Dieser führt uns aber unerwartet an einer Höhle vorbei, die wie eine
Wohnung eingerichtet ist und immer noch bewohnt scheint. In einer
Kammer, die als Küche fungiert, stehen sogar noch Lebensmittel. Danach
geht es auf den Gipfel des Coll de Son Gallard, wo uns der Ausblick
wieder die Sprache verschlägt. In dieser Gegend waren wir schon zum
Klettern, einiges kommt uns bekannt vor. Der Ausblick von hier oben ist
nun wirklich überwältigend. Es folgt der Abstieg nach Deià. Vorerst
geht es in steilen Serpentinen bergab, aber schon bald erreichen wir
eine alte, mittlerweile längst aufgegebene Olivenbaumplantage. Sie
wirkt unheiml
ich. Die Stützmauern sind oft zerfallen, zwischen den
alten dicken Olivenbäumen wuchert die Natur und holt sich den Hang
zurück. Im Düsteren überwinden wir immer weitere Trockenmauern, der Weg
ist schwer zu finden, sporadisch weisen uns einzelne Steinmännchen, wo
es hingeht. Der Abstieg gefällt uns sehr und wir sind fast etwas
enttäuscht, als wir im Refugi Can Boi in Deià ankommen. Zum ersten Mal
sind wir Gast au
f einer Hütte in Spanien. Es gefällt uns auf Anhieb. Es
gibt nur ein Gericht für alle, dazu Wein und Obst. Keine aufwändige
Speisekarte, keine Auswahl. Dafür aber wird frisch gekocht, keine
Fertigprodukte. Heute gibt es Fisch mit Kartoffeln und Gemüse. Dazu
stellt die junge Wirtin mehrere Flaschen Wein auf die Tische. Es freut
uns sehr, auch wenn wir etwas darüber staunen. Die folgenden Tage
lehren uns aber, dass dies völlig normal ist auf den spanischen Hütten.
Es entwickelt sich ein richtig netter Abend.
Tag 5, Deià nach Port de Sóller - Refugi de Muleta
Heute erwartet uns die kürzeste Etappe der Tour. Dementsprechend lassen
wir uns richtig viel Zeit beim Frühstück und laufen irgen
dwann fast
gegen 10 Uhr erst ganz gemütlich los. Der Weg nach Port de Sóller ist
sehr schön. Allerdings auch sehr kurz. Es ist eine recht flache
Wanderung, die auch deswegen eher einem Spaziergang ähnelt. Als wir an
einer Weggabelung ankommen, erblicken wir einen Bauer mit einer
Schubkarre voller Apfelsinen. Er presst diese aus und verkauft den
frischen Saft an die Wanderer. Wir gönnen uns auch ein Glas. Es ist
überflüssig zu erwähnen, dass wir noch nie einen leckereren Orangensaft
getrunken haben. So um die Mittagszeit erreichen wir das Refugi de
Muleta. Wir entschließen uns, eine kleine Wan
derung um Port de Sóller
zu machen. Wir nehmen einen dort liegenden Wandercache zum Anlass und
legen so gute 14 km zurück, dafür aber werden wir mit vielen schönen
Einblicken fernab der Touristenwege belohnt. Danach geht es hinunter in
die Stadt. Dort bummeln wir ein bisschen am Strand entlang,
anschließend können wir uns lange nicht entscheiden, wo wir essen,
geschweige was wir essen wollen. Am Ende ist es eine Paella Mixta,
Brot, Tomaten und Aioli. Die Hütte liegt etwas abseits der Stadt auf
einer Anhöhe, so ist sie bei unserer Rückkehr trotz der späten Stunde
noch in Sonnenlicht getaucht. Wir sitzen sehr lange draußen auf der
Terrasse und genießen Bier trinkend den wunderschönen Sonnenuntergang.
Tag 6, Port de Sóller nach Refugi Tossals Verds
Heute steht eine relativ lange Tour auf unserem Programm.
Dementsprechend stehen wir früh auf, frühstücken und laufen zeitig los.
Schnell und ohne Probleme geht es über die Straße in die Ortschaft
hinunter, schließlich sind wir den Weg gestern schon zweimal gelaufen.
Den GR in der Stadt zu finden fällt nicht leicht, dank GPS-Gerät ist es
aber für uns kein großes Thema. Abends werden wir von den anderen
erfahren, dass sie sich an dieser Stelle völlig verlaufen und einen
unspektakulären Weg entlang der Bahngleise nach Sóller nehmen werden.
Wir aber sind richtig und genießen die s
anfte und mit schönen
Ausblicken gespickte, wenn auch recht kurze Wanderung nach Sóller. Hier
angekommen suchen wir als erstes einen Supermarkt auf und decken uns
für die nächsten zwei Tage reichlich mit Proviant ein, es wird keine
weiteren Einkaufsmöglichkeiten entlang des Weges geben. Binibassi und
Biniaraix sind 2 malerische kleine Dörfer, die wir als nächstes
durchqueren. In einem der Gärten in Biniaraix gelingt es mir über den
Zaun zu greifen und eine frische Orange zu pflücken. Mann, ist sie
lecker. Leider ist sie die einzige auf der ganzen Tour, die wir
pflücken konnten, die Orangenbäume entlang des GR sind nicht so
zahlreich und wenn, dann immer hinter Zäunen. Danach beginnt schon der
steile und spektakuläre Aufstieg über den Torrent de Biniaraix hinauf
zum Embassament de Cúber. Die Hänge links und rechts der Schlucht sind
mit unzähligen Trockenmauern gespickt, so weit das Auge reicht, sehen
wir nichts als Steine und Steine. Nicht umsonst gehört die Gegend zum
UNESCO Weltkulturerbe. Der Anblick ist schon ziemlich einmalig. Auch
der Weg ist gänzlich mit Steinen befestigt, wir steigen Stufe für Stufe
diese nicht endende Steintreppe hoch. Oben angekommen verhilft uns
wiedermal ein Geocache, eine schöne Stelle für unser Picknick zu
finden. Auf einen die Gegend etwas überragenden Felsen haben wir einen
perfekten Rundumblick und lassen uns unsere Mahlzeit schmecken.
Embassament de Cúber ist ein Stausee, den wir kurz nach unserer Pause
erreichen. Dieser diente uns schon oft als Ausgangspunkt für unzählige
Wanderungen zu den umliegenden Gipfel, wir erkennen ihn sofort.
Majestätisch ragt der Puig Major, der höchste Gipfel der Insel, über
dem See.
Heute ist Sonntag und das hört man auch, je näher man der MA
10 kommt. Unzählige waghalsige Motorradfahrer brettern an uns vorbei
und machen einen Höllenlärm. Schnell machen wir uns an den Anstieg zum
Coll del Portellet und entfliehen dem Ganzen. Sobald wir den Gipfel,
auf dem wir zur Abwechslung mal wieder eine Trockenmauer übersteigen
müssen, passieren, hören wir nichts mehr. Schon bald laufen wir an den
Trümmern eines abgestürzten Flugzeuges vorbei, die aber schon seit
Ewigkeiten hier oben liegen und gewissermaßen eine Touristenattraktion
darstellen. Trotzdem wirken sie irgendwie verstörend in dieser
Landschaft. Kurz darauf steigen wir den steilen Torrent d'Almadrá
hinunter, den wir aber gut kennen, vor einigen Jahren waren wir schon
mal hier. Als wir eine kurze, mit Stahlketten versicherte Kletterstelle
passieren, wundern wir uns, dass viele sich heute wegen der angeblich
so schwierigen Stelle für eine andere Variante entschieden haben. Wir
finden sie mehr als leicht, es ist überhaupt kein Problem, sie zu
passieren. Alsbald erreichen wir auch die Hütte, die die einzige auf
unserer Tour ist, die tatsächlich ganz alleine mitten in den Bergen
liegt. Im Refugi Tossals Verds kennen wir mittlerweile aus den
vergangenen Tagen viele Gesichter, so verfliegt die Zeit wie im Fluge
bei leckerem Essen, Wein und wieder mal vielen interessanten
Geschichten.
Tag 7, Refugi Tossals Verds nach Refugi de Son Amer
Die heutige Etappe ist nicht allzu lang, so lassen wir uns Zeit beim
Frühstück und beschließen, auch einige Geocaches unterwegs mitzunehmen.
Das gestaltet sich direkt bei dem ersten schon sehr abenteuerlich.
Irgendwie finden wir nicht den richtigen Weg und müssen die letzten
dreihundert Meter Luftlinie und 50 Höhenmeter in weglosem Gelände zum
Cache abklettern. Danach geht es durch den Torrent des Prat hoch zum
Puig de Massanella. Auf der anderen Seite der Schlucht sehen wir eine
große, markante Brücke, die über einen Abgrund führt. Dort liegt auch
ein Cache, den man allerdings von der anderen Seite angehen muss. Wir
klettern den Torrent ein Stück ab, queren ihn und kletter
n auf der
anderen Seite auf die Brücke. Diese ist zwar hoch, aber nur sehr
schmal, über sie verläuft lediglich eine Wasserrinne. Früher führte sie
noch Wasser, mittlerweile ist sie an einigen Stellen verfallen. Wir
kehren auf dem gleichen Weg zurück auf den GR und laufen zum Coll des
Prat weiter, wo wir eine Pause einlegen. Während wir uns gemütlich
stärken, studieren wir die steile Nordwand des Puig de Massanella und
legen die Kletterroute fest. Vor einigen Jahren bestiegen wir schon mal
den
Gipfel, allerdings auf dem leichten Wanderweg, der von der anderen
Seite hinauf führt. Heute geht es für uns aber direkt in die Wand, die
jedoch aus der Nähe gar nicht mehr so steil wirkt, so dass wir schnell
und leicht nach oben klettern können. Der Gipfel besteht im Grunde
genommen aus dreien, die wir alle besteigen. Auf dem gleichen Weg, wie
wir herauf gekommen sind, klettern wir wieder hinunter. Der restliche
Weg zum Refugi de Son Amer ist nur noch ein langer Abstieg, auf den
letzten Metern am berühmten Kloster Lluc vorbei, das wir aber schon
kennen und daher auch links liegen lassen. Abends beim Essen sind alle
aufgeregt, jeder erzählt von dem heute Erlebten, es war für alle ein
wunderschöner Tag. Und wieder fließt der Wein in Strömen.
Tag 8, Refugi de Son Amer nach Pollença - Refugi del Pont Roma
Der heutige Tag ist unser letzter Wandertag, morgen geht es wieder
zurück in die Heimat. Beim Frühstück wird es deutlich, wie lange wir
schon unterwegs sind; da alle die gleiche Strecke laufen, kennen wir
fast jeden auf der Hütte. Wir frühstücken ausgiebig und sitzen noch
lange etwas schwermütig beim Kaffee, wir wollen nicht wirklich wahr
haben, dass es morgen schon zurück geht. Wiedermal ist es eine eher
kurze Etappe heute. Wir studieren die Karte und beschließen, unterwegs
noch auf den Puig Tomir zu steigen. Er ist auch über 1000 m hoch und
wir waren noch nie dort. Voller Vorfreude laufen wir los. Der GR ist
hier sehr breit und wir kommen schnell vorwärts. Es geht die ganze Zeit
durch einen Eichenwald, es ist schattig und angenehm. Irgendwann
treffen wir eine Frau, die unterwegs ihren Mann verloren hat. Wir sahen
auf unserem Weg niemanden, das wundert sie, ihr bleibt aber nichts
anderes übrig, als zu warten. Kurz darauf erreichen wir die Stelle, an
der wir den GR verlassen und in den schmalen Pfad zum Puig Tomir
einbiegen. Recht schnell wird es ganz schön steil, an einer Stelle
müssen wir sogar eine Passage klettern. Und es gibt keinen Schatten
mehr, wir laufen in der prallen Sonne. Offensichtlich haben wir den
offiziellen Weg irgendwann verlassen. Das wird uns aber erst bewusst,
als wir an einer mit Stahlkette versicherten Stelle des Aufstiegs
auskommen: allerdings an dessen oberen Ende. Das wäre der richtige Weg
gewesen. Danach wird der Aufstieg sanfter. Allerdings ist die Sonne
unerbittlich. Oben am Gipfel machen wir eine längere Rast; während
dieser genießen wir die grandiose Aussicht: im Westen die hohen Gipfel
des Puig Major und des Puig de Massanella, im Osten die Bucht vor
Alcudiá. Wir wissen nicht, wohin wir schauen sollen. Direkt neben uns
macht eine Gruppe spanischer Bergsteiger ebenfalls
eine Pause.
Plötzlich steht einer aus dieser Gruppe auf, kommt auf uns zu und
bietet uns einen Schluck aus seinem ledernen Weinbeutel an. Wir können
uns nicht verständigen, aber wir sitzen zusammen, trinken den Wein und
sind einfach glücklich. Es ist ein sehr schöner Moment. Die Spanier
brechen als erster auf, es ziehen dunkle Wolken auf. Ich glaube nicht,
dass es regnen wird, so beschließen wir, einen anderen Weg nach unten
zu nehmen. Dieser ist nur angedeutet auf unserer Karte, auf dem GPS
haben wir ihn gar nicht. Anfangs weisen uns noch einige Steinmänner den
Weg, es werden aber immer weniger. Als es plötzlich nicht mehr runter,
sondern wieder hinauf geht, sind wir etwas verunsichert. Wir finden
aber keine Alternative und folgen den wenigen steinernen Wegweisern.
Diese führen uns tatsächlich zu einer Stelle, wo wir hinunter klettern
können. Irgendwann stehen wir am Fuße der beeindruckenden, steilen
Nordwand des Puig Tomirs und müssen nur noch über ein steiles
Schotterfeld runter zurück auf den GR. Glücklich setzen wir unsere
Wanderung fort. Leider verläuft der Weg jetzt viel über Asphalt und zum
Schluss auch noch über die viel befahrene MA 10. Gegen 18 Uhr erreichen
wir das Refugi del Pont Roma. Wir gönnen uns als Abschluss des Urlaubs
einige Biere, essen gemeinsam mit den wenigen Leuten, die hier noch
übernachten, zu Abend und genießen den obligatorischen Rotwein dazu. Es
sind nicht viele hier, die meisten sind direkt nach der Wanderung
entweder zum Flughafen gefahren oder hängen noch einige Tage am Strand
dran.
Tag 9, Rückreise
Zum Abschied zeigt sich die Insel von ihrer Schokoladenseite. Als wir
nach dem Frühstück los laufen, zeigt das Thermometer knapp 30° C im
Schatten. Zur Bushaltestelle sind es nur wenige hundert Meter, um halb
zehn fahren wir mit dem Bus nach Palma zum Flughafen. Auf der knapp
einstündigen Fahrt können wir den Blick nicht von den Bergen lösen. Es
ist faszinierend zu sehen, wo wir die letzten Tage verbracht haben. Mit
dem Bus sind es keine 50 km nach Palma, wir mussten 140 km zurücklegen,
um das Serra de Tramuntana zu überqueren, und brauchten mehrere Tage
dafür. Am Flughafen wird es dann noch mal kurz spannend, als wir von
zahlreichen Flugausfällen wegen eines Fluglotsenstreiks in Frankreich
erfahren. Aber unser Flugzeug startet, wenn auch mit einer erheblichen
Verspätung. Nach einem so schönen Urlaub lässt es uns völlig kalt, wir
regen uns im Gegensatz zu zahlreichen anderen Passagieren nicht darüber
auf. Gegen 18 Uhr landen wir in Weeze, von wo wir aus dann mit der Bahn
nach Hause fahren. Zu unserer Überraschung erwartet uns Damian mit
einem frisch gekochtem Essen.