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Tatraüberquerung 2018


Titel

Freitag, 20. Juli 2018, Anreise

146 Minuten Verspätung! Toll! Gerade kam die Durchsage des Zugführers. Aus dem Abendessen und Biertrinken in Berlin wird wohl nichts mehr. Hoffentlich bekommen wir überhaupt unseren Anschluss nach Krakau. Uns wird bewusst, dass unser Vorhaben, weniger zu fliegen, uns demnächst noch einiges abverlangen wird. Als wir in Berlin ankommen, haben wir noch 30 Minuten Zeit, bis unser Bus abfährt. Das reicht gerade, um sich die Beine ein wenig zu vertreten und schon geht es weiter. Es ist kurz vor 23 Uhr; wir belegen die ganze hintere Sitzreihe, legen uns dort hin und schlafen augenblicklich, voller Vorfreude auf den morgigen Tag, ein.



Samstag, 21. Juli 2018, Tag 1

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Wir werden wach, als der Bus gerade in Krakau eintrifft. Das passt. Wir frühstücken kurz am Bahnhof und schon geht es weiter mit dem Leoexpress nach Tatranska Lomnica in die Slowakei. Als wir dort ankommen, sind wir schon über 20 Stunden unterwegs. Immerhin sind wir aber halbwegs ausgeschlafen. Wir füllen noch schnell unsere Trinkblasen und laufen durch die kleine Ortschaft zur Talstation der Bergbahn, wo unser Aufstieg zur Chata pri zelenom pleso anfängt. Der Anstieg ist sanft, die Sicht auf den Lomnicky Stit grandios. Wir freuen uns endlich, in den Bergen zu sein. Wir sind hier noch recht einsam unterwegs, das wird sich wohl gleich ändern. An der Mittelstation der Bahn machen wir eine kleine Pause und vertilgen die Honigmelone, die ich tatsächlich bis hierher hoch geschleppt habe. Mit einem um über zwei Kilo leichteren Rucksack fällt mir der weitere Weg noch leichter. Bald treffen wir auf einen anderen Weg nach oben. Auf Anhieb wird es jetzt voller. Die Hütte liegt sehr schön in einem Tal an einem smaragdgrünen See gelegen auf 1551 Metern Höhe. Die ersten 700 Höhenmeter des Urlaubs liegen jetzt hinter uns. Es ist gerade 16 Uhr und es sind noch viele Tagesgäste da. Wir beschließen, erst den Velke Biele Pleso zu besuchen. Dieser See liegt nicht all zu weit weg und ist auch sehenswert. Als wir zur Hütte zurückkehren, ist nicht mehr so viel los. Wir checken ein und bestellen uns erst mal ein leckeres Bier. Dieses schlürfend genießen wir den tollen Ausblick. Als wir anschließend zu Abend essen, gesellt sich ein nettes Pärchen aus Berlin zu uns an den Tisch. Sabine und Andreas heißen die beiden. Es wird ein schöner Abend, und wir können heute Nacht sehr gut schlafen. Unser erster Tag war schon vielversprechend.


Sonntag, 22. Juli 2018, Tag 221

Unsere Betten stehen direkt am Fenster, so werden wir von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Genug Zeit, um noch etwas zu lesen, bevor es zum Frühstück geht. Es gibt ein Buffet, wie so oft in diesem Urlaub; wir essen eigentlich zu viel. Die beiden netten Berliner von gestern Abend leisten uns auch beim Frühstück Gesellschaft. Vollen Elans starten wir in den Tag. Ab der Hütte geht es direkt steil auf den 2038 Meter hohen Velka Svistowka. Uns bietet sich ein schöner Rundumblick, vor allem aber ist unsere gestrige Hütte an dem von hier aus noch grüneren See sehr gut zu sehen. Dummerweise sehen wir aber auch hinter der Bergkette eine dunkle Front auf uns zukommen. Zum Glück ist sie aber noch weit weg. Ganz gemütlich erreichen wir die Enzianhütte, hier kaufen wir uns erst mal eine aktuelle Wanderkarte der hohen Tatra. Tatsächlich werden wir noch von der Regenfront eingeholt. Allerdings gerade an einer Stelle, an der wir an einem Unterstand Schutz finden. Perfekt. Als wir es uns gerade gemütlich gemacht haben, stellen wir fest, wir sind hier nicht alleine. Wir staunen nicht schlecht, als sich ein völlig zahmer Fuchs zu uns gesellt in der Hoffnung, was zu futtern zu ergattern. Das Tier ist ganz friedlich und überhaupt nicht scheu. Es kommt ganz nah an uns heran. Leider hört der Regen nicht auf, so ziehen wir unsere Regenponchos 22an und laufen los. Es ist nicht mehr all zu weit bis zur Zamkovskeho Chata, an der wir den Regen mit einer Tasse Kaffee abwarten wollen. Noch bevor wir die Hütte erreichen, hört der Regen auf und die Sonne kommt raus. Wir laufen direkt weiter. Kurze Zeit später begegnen wir zum ersten Mal einem richtigen Sherpa. Im Vorfeld hörten wir schon einiges über die Lastenträger in der Tatra. In den nächsten Tagen werden wir immer wieder welchen begegnen. Wir sind sprachlos angesichts des Bildes, das sich uns bietet. Der arme Kerl schleppt eine 33 kg Gasflasche auf dem Rücken. Später schauten wir zu Hause nach, das Leergewicht dieser Flasche beträgt 35 kg. Zusammen mit dem Gas und dem Tragegestell sind es über 70 kg! Immer wieder macht der Sherpa kurze Pausen, so kommen wir schnell an ihm vorbei. Er tut uns richtig Leid. Der Anstieg ist vorerst recht sanft, bald aber wird es immer steiler. Auch die Kletterpassagen häufen sich zunehmend. Da es noch recht frü23h ist, machen wir kurz vor der Hütte eine lange Pause. Wir legen uns auf einem großen flachen Fels in die Sonne. Danach ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Hütte. Dort angekommen, hole ich erst mal zwei kühle Bier. Mir verschlägt es die Sprache. Der gleiche Typ, den wir beim Aufstieg mit der Gasflasche gesehen haben, steht jetzt hinter der Theke und bedient die Gäste! Irre… Ich wäre „tot“. Er hat auch noch richtig gute Laune. Wir erfahren, dass alles, was hier oben angeboten wird, von den Sherpas hoch getragen wird. Die Chata Teryho, wo wir gerade angekommen sind, liegt immerhin auf 2015 Metern Höhe! Es ist wirklich unglaublich. Beim Abendbrot gibt es eine Knoblauchsuppe. Die habe ich zuletzt in meiner Kindheit gegessen, sie heißt Wodzionka. Inzwischen regnet und stürmt es draußen, wir sind froh, drinnen einen gemütlichen Abend verbringen zu können.


Montag, 23. Juli 2018, Tag 3

Als wir gemütlich nach dem Frühstück los laufen, scheint die Sonne. Trotzdem ist es nicht warm genug, um ohne Jacken zu laufen. Sofort nach der Hütte geht es hoch. Nach einer knappen halben Stunde erreichen wir eine Stelle, von wo aus wir unsere gestrige Hütte in voller Pracht bewundern können. Von hier oben ist die 31Aussicht phantastisch. Direkt an der Hütte konnte man sie nicht im ganzen Ausmaß sehen. Das Gelände wird jetzt richtig rau. Schon bald müssen wir nur noch klettern. Als wir an dem Sattel Priecne Sedlo ankommen, macht Ywi eine kurze Pause und für mich geht es auf die Siroka Veza, einen 2461 hohen Gipfel, der unweit des markierten Weges liegt. Es gibt keinen sichtbaren Weg nach oben, meist muss man klettern. Leider lag der Gipfel im Nebel, aber als ich oben ankomme, reißt es kurz auf und ich kann den Ausblick genießen. Danach müssen wir ein Steinmeer mit unzähligen großen Blöcken überqueren, bevor es wieder steil hinauf geht. Wieder müssen wir öfter klettern. An der höchsten Stelle treffen wir auf zwei Studentinnen aus Berlin, Antonia und Katharina. Die beiden haben wir schon heute morgen beim Loslaufen kurz gesprochen. Gemeinsam bewältigen wir die etwas heikleren Passagen hinunter. Dabei gabeln wir einen Slowaken auf, der sichtlich überfordert am Fels hängt. Nachdem die Mädels heile unten waren, klettere ich nochmals hoch zu dem Typen und helfe ihm Schritt für Schritt hinunter. Direkt danach geht es ganz sanft bis zur Zbujnicka Chata hinunter. Gerade kommt ein kleiner Schauer hinunter, so genehmigen wir uns auf der Hütte eine Tasse Kaffee und warten, bis es vorüber geht. Keine halbe Stunde später scheint wieder die Sonne und wir 32laufen los. Ab sofort begleitet uns der Blick des Gerlachovsky Stit, des höchsten Gipfels der Tatra. Leider ist die Besteigung nur mit einem Bergführer, der natürlich ordentlich Geld dafür kassiert, erlaubt. So war es für uns schon bei der Planung der Tour klar, auch wenn die Besteigung eher einfach wäre, den Gipfel auszulassen. Schon bald sehen wir unsere heutige Unterkunft, den Sliesky Dom, natürlich wieder an einem See. Was wirklich anders ist in der Tatra als in den Alpen, dann ist es die Anzahl der Seen. Es sind wirklich unzählige. Das wird wohl die markanteste Erinnerung an die Hohe Tatra bleiben. Die unfassbar vielen Seen. Heute übernachten wir in einem richtigen Hotel. Tatsächlich ist Sliesky Dom ein luxuriöses, teures Wellneshotel. Es gibt allerdings eine günstige und einfache Wandererunterkunft, die wir auch aufsuchen. Na ja, „günstig“ und „einfach“ sind hier eher relativ. Mit knapp 30 EUR ist sie nicht wirklich günstig und große gemütliche Betten und tolle Sanitäranlagen mit einer gemütlichen großen Dusche sind in den Bergen eher Luxus. Hinzu kommt eine Gaststube, die extra für Wanderer offen ist, damit die Hotelgäste nicht gestört werden. Sie ist aber sehr gemütlich, ja fast schon romantisch. Wir sitzen auf grob gezimmerten, mit Fällen versehenen Bänken an einem brennenden offenen Kamin, essen köstlichen Bigos und trinken leckeres Bier. Das ganze auch noch viel günstiger, als in dem eher kühlen und nicht einladenden Bonzenrestaurant nebenan. Gemeinsam mit den beiden Mädels Antonia und Katharina wurde es wieder mal ein sehr schöner Abend.


Dienstag, 24. Juli 2018, Tag 4

41Bonzenrestaurant hin oder her. Das Frühstück dort ist für eine Bergtour einfach nur irre. Es gibt alles, was das Herz begehrt. Die Krönung ist, als wir nach üppigen Portionen Rührei, Speck, verschiedenen Früchten, Jogurt und was weiß ich noch was, dick mit Nutella bestrichene Pfannkuchen essen. OK, eigentlich nicht wir, sondern nur ich und Antonia. Ich sogar zwei… Tatsächlich fällt es uns schwer aufzustehen. Draußen zeigt sich aber schnell, dass volle Bäuche heute einen großen Vorteil haben. Es ist wahnsinnig windig. Entlang der Bergflanke geht es noch, aber als wir den Batizovske Pleso erreichen, können wir nur noch auf allen vieren vorwärts kriechen. Tatsächlich habe ich Angst, dass mir Ywi davon fliegt. Das Wasser des Sees wird von dem Wind mitgerissen und wir werden bei der Überquerung nass. 42Es folgt wieder eine Passage entlang einer Bergflanke, wo es einigermaßen geht. Bei Sedlo pod Ostrvou wieder das gleiche. Die Stelle ist bei den Tagesgästen, die von Popradske Pleso hierhin aufsteigen, sehr beliebt. Alle haben aber mit dem Wind zu kämpfen. Kaum sind wir einige Meter Richtung des Sees unten abgestiegen, schon merken wir von dem Wind überhaupt nichts mehr. Auf dem Weg über 600 Höhenmeter hinunter begegnen wir vielen Wanderern, die einen Tagesausflug nach oben machen. Unten angekommen ergattern wir in der Chata pri Popradske Pleso noch ein sonniges Plätzen und genießen einen leckeren Kaffee. Der Ausblick ist herrlich und obwohl es hier recht voll ist, verbringen wir über eine Stunde an diesem Ort. Hier sehen wir auch zum letzten Mal die beiden deutschen Mädels aus Berlin, von denen wir einen herzlichen Abschied nehmen. Jetzt erwarten uns über 700 Höhenmeter bis zur Chata pod Rysmi, der auf 2250 Metern hochgelegenen höchsten Hütte der Tatra. Der Weg ist recht einfach, das Wetter super, es fällt uns überhaupt nicht schwer vorwärts zu kommen. Wir genießen bei diesem Aufstieg die schönen Aussichten, auch wenn die ganz hohen Gipfel mittlerweile in den Wolken nicht mehr zu sehen sind. Und es wird mit jedem Meter kälter. Irgendwann müssen wir unsere Jacken wieder anziehen. Als wir an der Hütte ankommen, wird uns schnell klar, diese Hütte ist ganz was besonderes. Das erste, was wir erreichen, ist eine Bushaltestelle. Na ja, es ist nur ein Bushaltestellenschild. Einfach so, mitten im Fels. Witzige Idee. Daran ist noch ein Fahrrad angekettet. Lustig… Ich schätze, wir haben gerade 5 Grad über Null. Wir sehen einige Leute vor der Hütte stehen und wundern uns, warum sie nicht hinein gehen. Schnell erfahren wir den Grund, die Hütte wurde gerade gewischt, wir müssen alle warten. 5 Minuten, 10 Minuten. Es tut sich nichts. Erst nach 19,04 Minuten kommen wir völlig durchgefroren rein. Zum ersten Mal auf dieser Tour trinken wir als erstes einen warmen Tee. Als wir nach der Toilette fragen, werden wir komisch angeschaut. Anscheinend sind wir die einzigen auf der Stube, die von dem berühmten Plumpsklo nichts wissen. Gut 200 Meter weg von der Hütte, an einem kleinen Felsvorsprung, wirklich mitten in einem unwegsamen Gelände steht es. Komplett aus Holz gezimmert, mit einer großen Panoramascheibe. Ist schon witzig. Später frage ich den Wirt, wie viele Leute sich hier schon die Haxen gebrochen haben. Es waren schon einige… Wundert mich nicht, nach paar Bier und dem leckeren knapp 60-prozentigen Tatransky Chaj ist es nicht m43ehr so einfach. Der Hüttenwirt ist ein extrem netter junger Kerl, der uns einiges zu erzählen hat. Auch auf diese Hütte wird alles hoch geschleppt. Tatsächlich sehen wir im Laufe des Abends noch zwei Sherpas hochkommen. Jeden Tag sind es 300 kg, die hoch getragen werden müssen. Bei einem Bierpreis von 2 EUR bekommen wir ein schlechtes Gewissen. Leider erfahren wir auch, dass die Gratwanderung auf den Gievont, die wir am letzten Tag vorhatten, nicht mehr möglich ist. Eine ganze Bergflanke ist abgerutscht, der Weg ist nicht mehr passierbar und der ganze Wanderweg gesperrt. In den Berghütten ist es üblich, abends Musik zu machen. Egal wo auf der Welt. Meistens sind es Gitarrenklänge, oft wird auch Ziehharmonika gespielt. Wir staunen nicht schlecht, als plötzlich die bekannten Klänge Beethovens für Elise erklingen. In der Ecke steht ein Piano, das haben wir bisher übersehen. Draußen wird es langsam düster. Da es hier oben keinen Strom gibt, werden Öllampen gezündet. Auch der Kamin brennt mittlerweile. Es ist wieder mal so ein Moment, den man nicht vergessen wird. Plötzlich setzt sich der Wirt zu uns und fragt, wie es uns gefällt. Als Antwort zeige ich ihm im schwachen Licht der Lampe meinen Arm. Gänsehaut…


Mittwoch, 25. Juli 2018, Tag 5


51Eine Hütte, die von Sherpas versorgt wird, und zwar ausschließlich. Und zum Frühstück gibt es ein Buffet. Wir können es kaum glauben. Wie oft hatten wir schon an anderen, gut erschlossenen Hütten in den Alpen für viel Geld zwei Schnitten Brot mit Marmelade zum Frühstück bekommen? Wir sind wirklich sprachlos. Herzlich verabschieden wir uns von den Hüttenleuten und laufen schweren Herzens los. Tatsächlich fällt uns der Abschied schwer. Diese Hütte gehört mit zu den besten, die wir je besucht haben. Uns erwartet als erstes der Aufstieg auf den Rysy, den höchsten Berg Polens. Leider ist der 2503 Meter hohe Gipfel komplett in den Wolken. Als wir ihn nach einigen kurzen Kletterpassagen erklimmen, können wir leider nichts sehen. Wir müssen uns mit dem obligatorischen Gipfelphoto begnügen, bevor wir uns auf den Abstieg machen. Tatsächlich ist dieser nicht ohne, nicht weil er so schwer wäre, sondern uns kommen recht viel52e Leute entgegen. Gerade auf den gesicherten Kletterstellen wird es eng und so gut wie unmöglich, sich aus dem Weg zu gehen. Mit jedem Meter, mit dem wir an Höhe verlieren, lichtet sich die Wolke. Schon bald haben wir freie Sicht auf den wohl bekanntesten See Polens, Morskie Oko, und den kurz davor liegenden Czarny Staw pod Rysami. Von hier oben scheinen sie auf gleicher Höhe zu liegen. Als wir nach einem spektakulären Abstieg über 900 Höhenmeter den ersten See erreichen, sehen wir, dass der nächste, Morskie O53ko, weitere 200 Höhenmeter tiefer liegt. Dieser See gehört zu den absoluten Attraktionen in Polen, wir begegnen tausenden Menschen. Nein, es ist kein Fehler, es sind wirklich tausende. Wir versuchen erst gar nicht, dort einen Platz in einer der zahlreichen Gaststätten zu ergattern, sondern laufen direkt weiter und sind wirklich froh, als wir in einen einsamen Pfad zu unserer heutigen Hütte in dem Tal der fünf Seen abbiegen. Ab sofort begegnen wir nur noch sporadisch anderen Wanderern. Der Aufstieg auf den Świstowa Czuba ist jetzt nicht sehr anspruchsvoll, aber wir haben das Gefühl, er ziehe sich in die Länge. Wir staunen nicht schlecht, als wir in der Nähe des Gipfels ein Hochzeitspaar sehen. Er im Anzug und Lackschuhen, sie in Weiß und in Stöckelschuhen. Ja, diese beiden lieben die Berge, das sieht man ihnen an. Schon bald erreichen wir den 1763 Meter hohen Gipfel, von wo aus uns schon ein schöner Ausblick auf unsere heutige Hütte bietet. Keine halbe Stunde später sin54d wir auch unten. Wir essen eine Kleinigkeit, trinken auch etwas und beschließen noch einen Spaziergang zu dem nahe gelegenen bekannten Wasserfall Siklawa. Wir dehnen den Spaziergang aus, am Ende sind wir über 2 Stunden unterwegs und bewältigen gut 300 Höhenmeter, bevor wir wieder an der Hütte ankommen. Das ganze nur mit Hüttenschuhen, es sollte ursprünglich ein kurzer Ausflug sein… Abends bestätigen sich unsere Befürchtungen, dass wir unseren Weg morgen nicht fortsetzen können. Nicht nur, dass der nötige Umweg uns eine dreizehnstündige Wanderung bescheren würde. Auch die Wetteraussichten für morgen sind nicht gut. Es ist ein Unwetter angesagt. Die Hütte in der Dolina piecu Stawow verfügt über einen Materiallift. Leider wurde in der Vorwoche durch ein Unwetter eine Brücke, über welche man diesen erreichen kann, zerstört. Dadurch gibt es kaum noch etwas zu essen auf der Hütte, noch nicht einmal Brot. Die nächste Straße am Morskie Oko ist in gut zwei Stunden zu erreichen und das über einen eher gemütlichen Weg. Was wir in den letzten Tagen mit den Sherpas auf den slovakischen Hütten erlebt haben, lässt uns hier nur noch den Kopf schütteln. Immerhin gibt es noch genug Bier, allerdings ab 21 Uhr nur noch in Plastikeinwegbechern. In den Bergen. Was soll das? Der Abend ist etwas betrübt, weil wir morgen unsere Route nicht weiter gehen können. OK, andersherum gibt es schlechteres, als einen zusätzlichen Tag in Krakau zu verbringen. Morgen wäre ohnehin der letzte Tag unserer Tour, es hätte uns auch direkt am Anfang passieren können. Wäre für den nächsten Tag kein Unwetter mit Gewittern angesagt, hätten wir hier auf der Hütte zwei mal schlafen und eine schöne Tageswanderung machen können, bei diesen Aussichten geht es wohl nicht. Die Berge und das Wetter …


Donnerstag, 26. Juli 2018, Tag 6


Wir werden heute früh wach. Frühstück ab 8 Uhr ist für eine Berghütte echt spät. Wir beschließen ohne los zu laufen, zumal es ohnehin kein Brot gibt. Andersherum hätte ich gerne gesehen, was die Leute zum Frühstück essen. Egal, wir warten es gar nicht ab, zumal es noch trocken ist. Der Erdrutsch oben am Berg hindert uns, unsere geplante Tour fortzusetzen, die zerstörte Brücke wiederum hindert uns den direkten und dadurch deutlich kürzeren Weg ins Tal zu nehmen. Unsere einzige Möglichkeit ist, 61den Weg, den wir gestern von Morskie Oko gekommen sind, zurück zu laufen. Wir beeilen uns. Es wird zu einem Spiel auf Zeit. Schnell zeigt es sich, dass wir die Verlierer sind. Nach kürzester Zeit müssen wir schon unsere Regenponchos anziehen. Zum Glück regnet es nicht all zu stark. Noch nicht. Auch wenn der Weg nicht all zu schwer ist, hat er doch seine Tücken beim Regen. Wir sind froh, als wir die Asphaltstraße erreichen. Hier das gleiche Bild wie gestern. Menschenmassen strömen uns entgegen. Das haben die Polen ganz gut gemacht. Morskie Oko ist nur durch eine fast 10 km lange Wanderung zu erreichen. Einen Teil dieser Wanderung kann man mit einer Pferdekutsche vornehmen. Motorisierter Verkehr ist nicht möglich. Kaum sind wir auf dieser Straße, schon fängt es an in Strömen zu regnen. Das Unwetter ist da. Zum Glück kein Gewitter. Stellenweise wird die breite Straße zum reißenden Bach. Wir sind zwar durch die Ponchos gut geschützt, unsere Schuhe werden aber in Sekunden nass. Welch ein Wunder, das Wasser reicht manchmal bis zu den Waden. Uns kommen immer noch Massen an Menschen entgegen. Die wenigsten sind gegen das Wetter geschützt. Die meisten sind völlig durchnässt. Es gibt auch unterwegs keinerlei Schutz für die Leute. Wir sehen wirklich im Kinderwagen überflutete Babys. Es kehrt aber keiner um. Wir sind mehr oder weniger die einzigen auf den Weg nach unten. Nach gut zwei Stunden bei diesen Verhältnissen erreichen wir den Parkplatz, von wo aus wir nach Zakopane fahren können. Logisch, dass es genau jetzt aufhört zu regnen. Zum wiederholten Male stellen wir fest, wie gut die Regenponchos sind. Wir ziehen sie aus und sind mit Ausnahme der Schuhe völlig trocken. Als ob es überhaupt nicht geregnet hätte, geschweige denn wir hätten einen derartigen Wolkenbruch hinter uns. Schon bald können wir in einen Bus einsteigen und erst nach Zakopane und anschließend nach Krakau fahren. In dieser wunderschönen, weltoffenen, geschichtsträchtigen und kulturell sehr bedeutenden Stadt verbringen wir die folgenden drei Tage. In diesen Tagen ist natürlich unsere Wanderung immer noch sehr präsent und immer ein Thema. Wir reden sehr oft, auch mit Leuten, die wir dort kennen lernen, über unsere Erlebnisse der letzten Tage in der Hohen Tatra, dem „kleinsten Hochgebirge der Welt“.