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GPX Daten




















GR 20
Von Calenzana nach Conca
180 km, 12.000 Höhenmeter




0,1


Wir liegen im Zelt und hören dem Regen zu. Bei unserer Ankunft im Refuge d'Ortu di u Piobbu auf 1570 m Höhe fing es an leicht zu nieseln. Im Zelt hört sich das schlimmer an, als es letztendlich draußen ist. Wir genießen es, endlich sind wir auf dem GR 20 unterwegs. Aber der Reihe nach.







10. und 11. August 2019, Anreisetage

Den Vormittag verbringen wir noch zu Hause. Die beiden Rucksäcke sind schon seit Tagen gepackt. Wir halten es kaum aus, bis es endlich losgeht. Vor der Haustür werden die Wanderstiefel geschnürt und kurz nach dem Mittag marschieren wir Richtung Bahnhof, von wo aus wir mit dem Zug den Düsseldorfer Flughafen erreichen. Unser Flieger startet pünktlic0,Anreiseh und am späten Nachmittag erblicken wir zum ersten Mal die Berge Korsikas. Schon von hier aus, durch die kleinen Flugzeugfenster aus der Ferne, erahnen wir deren Größe und deren Wildheit. Nach der Landung in Bastia laufen wir sofort los zu unserer nur wenige Kilometer entfernten Unterkunft in Lucciana Olivella. Von unterwegs rufen wir unsere Wirtin Sylvie an, um unsere Ankunft anzukündigen. Keine fünf Minuten später kommt sie uns mit ihrem Wagen entgegen und fährt uns dort hin. Sehr lieb, so kann ein Urlaub anfangen. Wir lassen unsere Rucksäcke auf unserem Zimmer und erkunden als erstes die kleine Ortschaft. Viel gibt es allerdings nicht zu sehen, sie ist winzig. Als wir zurückkehren ist es schon dunkel. Wir essen auf dem schönen, großen Balkon zu Abend und genießen noch eine Zeit lang die laue Sommernacht. Vor lauter Aufregung auf die nächsten Tage können wir lange nicht einschlafen. Wir stehen um halb acht auf. Der Tisch im Esszimmer ist schon gedeckt, es duftet nach Kaffee. Neben uns beiden übernachtete hier noch ein junges, italienisches Pärchen, mit dem wir dann gemeinsam frühstücken. Unser Zug fährt kurz vor neun, wir haben keine Eile. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns herzlich von Sylvie und gehen die wenigen Meter zum Bahnhof. Obwohl wir die abenteuerliche Strecke nach Calvi schon vom letzten Jahr kennen, ist die Fahrt wieder ein richtiges Abenteuer. Teilweise fahren wir wegen der engen Kurven nur Schrittgeschwindigkeit. Der Zug ist gut gefüllt, es sind sehr viele Wanderer dabei. Wir knüpfen die ersten Kontakte, tauschen uns aus. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir unser Ziel, U  Fiumeseccu Alzeta. Von hier aus müssen wir gut 10 km zu Fuß nach Calenzana, leider entlang einer Straße. Wieder ist das Glück auf unserer Seite. Schon nach wenigen Metern hält ein Auto neben uns und eine nette, ältere Französin bietet uns eine Mitfahrgelegenheit an. Zwei junge Italiener, ebenfalls Wanderer, hat sie schon vor uns unterwegs aufgegabelt. Wir sind begeistert. Unterwegs gibt sie uns allen noch einige Tipps für die Berge und kurz nach dem Mittag erreichen wir schon Calenzana. Als erstes suchen wir unsere Unterkunft auf, lassen unsere Bagage dort liegen, und machen uns auf die Suche nach einem Einkaufsmarkt. Nachdem wir unsere Vorräte ergänzt haben, unternehmen wir eine kleine Wanderung über die umliegenden Gipfel. Es sind unsere ersten Schritte auf dem GR. Wir freuen uns schon riesig auf morgen, wo es endlich richtig losgehen wird. Unser Wirt in Calencana, Thomas, ist ein Schweizer; wir verbringen mit ihm einen netten Abend. Natürlich steht bei den Gesprächen unsere anstehende Wanderung im Mittelpunkt. Unter anderem erfahren wir, dass wir bei ihm im ältesten Gebäude Calenzanas übernachten.







12. August 2019     Tag 1
Calenzana – Refuge d'Ortu di u Piobbu
5,4 h, 10,5 km, 1360 Hm↑, 60 Hm↓

1.1Als ich wach werde, habe ich Bettwanzen vor Augen, im Schlaf habe ich von ihnen geträumt. Gestern warnte uns unser Gastgeber vor der Plage, es ist ein großes Problem auf den Hütten des GR. Nach dem Frühstück und einem herzlichen Abschied von Thomas geht es dann auch tatsächlich los. Direkt am Anfang verlassen wir den GR und machen für einen Cache einen kleinen Umweg über den naheliegenden Gipfel Capu di Pratu (828 m). Es ist zwar kein sonderlicher Umw1.2eg, aber es beschert uns einige zusätzliche Höhenmeter. Zurück auf dem GR treffen wir ein deutsches Pärchen, das wir im Zug von Bastia kennen gelernt hatten. Da sie mit schweren Rucksäcken langsamer sind als wir, gehen wir, nach einem kurzen Plausch an ihnen vorbei. Das Wetter ist herrlich, wir sind noch frisch, schnell kommen wir immer höher. Bald schon erreichen wir die Bocca a u Salutu auf 1276 m mit ihrem herrlichen Ausblick. Danach geht es weiter hoch. Der Weg wird merklich steiler, hin und wieder kommen schon unsere Hände zum Einsatz, es geht gut los, wir freuen uns über die kleinen Kletterstellen. Als wir die Bocca a u Bassiguellu auf 1486 m 1.3erreichen, erblicken wir auf der anderen Seite des Tals unsere Herberge für die heutige Nacht, das Refuge d'Ortu di u Piobbu. Nach gut einer Stunde erreichen wir sie. Sie ist dieses Jahr abgebrannt, so können wir eines der zahlreichen Leihzelte beziehen. Da sich die Sanitäranlagen (Wasserstelle und Komposttoilette) wie auf dem GR üblich außerhalb des Refuges befinden, sind diese unversehrt. Anstelle der Hütte wurde ein Ersatzcontainer aufgestellt, dort wird notdürftig gekocht und man kann dort einkaufen. Leider nicht wir. Unsere ganze Urlaubskasse bestand aus 100 EUR-Scheinen und diese wurden hier oben nicht angenommen. Pech gehabt. Unser restliches Kleingeld reicht gerade für einen halben Liter Wein. Dazu essen wir Kekse und Wurst, die wir schon in Calenzana gekauft haben. Leider wird das Wetter schlechter, wir müssen uns ins Zelt verkriechen, es regnet leicht. Wir können uns gar nicht mehr daran erinnern, wann wir zuletzt eine Nacht im Zelt verbracht haben, es muss eine Ewigkeit her sein.



13. August 2019     Tag 2
Refuge d'Ortu di u Piobbu nach Refuge de Carozzu
7,0 h, 13 km, 1570 Hm↑, 1560 Hm↓

2,2War ich gestern auf einem Konzert und habe zu viel gepogt? Das war meine erste Frage beim Wachwerden heute Morgen. Mann, die Nacht auf einer dünnen Isomatte auf steinigem Boden im Zelt hinterlässt deutliche Spuren. Es scheint die Sonne, wir frühstücken und bewegen die Knochen auseinander. Schon nach wenigen Schritten geht es uns wieder gut. Zum ersten Mal von vielen füllen wir unsere Trinkblasen mit frischem eiskalten Quellwasser. Nach einem kurzen Abstieg erreichen wir eine Bergerie, danach geht es recht steil nach oben. Immer wieder müssen wir kleine Kletterstellen überwinden, wunderbar! Auf 1950 m Höhe erreichen wir die Bocca di Pisciaghia. Hier verschl2,2ägt es uns den Atem. Zum ersten Mal können wir über die ganz hohen Gipfel unseren Blick schweifen lassen, wir können uns kaum satt sehen. Zum ersten Mal können wir die Faszination des GR 20 etwas nachvollziehen. Ans2,3chließend geht es noch gut 100 m höher, bevor der Abstieg über den Col d'Avartoli und die Bocca di I'Innominata zum Refuge de Carozzu folgt. Es fällt uns schwer, gleichzeitig den Blick auf den Weg zu richten und die umliegenden Berge zu betrachten. Der Weg erfordert volle Konzentration, er ist schwer, beides gleichzeitig ist kaum möglich. Voller Glücksgefühle kommen wir auf der Hütte an. Leider ist diese wegen Wanzenbefalls gesperrt, wir müssen zum zweiten Mal in Folge vorlieb mit dem Zelt nehmen. Immerhin besser als von Wanzen zerbissen zu werden. Es ist früher Nachmittag, wir verbringen die Zeit in der Sonne auf der schönen Terrasse des Refuges. Wir genießen bei einer Flasche Wein den schönen Ausblick von hier. Zum Glück wird unser 100 EUR-Schein ohne wenn und aber akzeptiert. Schon jetzt, am zweiten Tag, kommen uns einige Gesichter bekannt vor.




14. August 2019    Tag 3
Refuge de Carozzu nach Refuge d'Asco Stagnu
5,5 h, 4,7 km, 800 Hm↑, 600 Hm↓

3,1Unsere zweite Nacht in einem Zelt war nicht mehr so schlimm wie die erste. Wir stehen auf und können uns schon viel besser bewegen als gestern. Da unser Zelt direkt an der Kochstelle steht, ist natürlich die erste Amtshandlung Kaffee zu kochen. Besser kann man den Tag nicht a3,2nfangen. Wir packen unsere Sachen zusammen, essen zwei Doppelkekse und laufen los. Direkt nach der Hütte folgt das erste Highlight der Tour, eine Hängebrücke. Danach folgt ein steiler Aufstieg. Es ist schon faszinierend, es gibt hier kaum eine Stelle, wo man geradeaus laufen kann. Immer wieder muss man klettern. Unglaublich und das schon seit drei Tagen. Wenn es so bleibt, dann ist es tatsächlich einer der schönsten Wanderwege, die wir bisher gemacht haben. Irgendwann packen wir die Wanderstöcke weg, es macht tatsächlich keinen Sinn, diese zu benutzen. Nach einer guten Stunde erreichen wir die Bocca di a Muvrella auf 2025 m Höhe. Von hier aus bietet sich uns ein herrlicher Ausblick auf das zum einen wunderschönen Bergpanorama und zum anderen auf Calvi direkt am Meer. Weiter geht es steil bergauf auf die nächste Bocca, die Bocca di Stagnu, wo Ywi eine Pause einlegt und ich den 2148 m hohen Gipfel der Muvrella erklimmen kann. Nach einer kurzen Kraxelei bin ich auch schon oben. Nach knapp zwei Stunden bin ich bei Ywi zurück und wir können nun ganz gemütlich absteigen bis nach Asco. Ganz gemütlich bitte nicht wörtlich nehmen, es ist tatsächlich eine Kraxelei. Als wir auf der Hütte ankommen und uns ein Bettenlager zugewiesen wird, folgt der Schock. Es ist nicht übertrieben, die Betten sind tatsächlich komplett von Bettwanzen befallen. Wir ekeln uns davor, fragen den Hüttenwirt, ob wir doch noch ein Zelt haben können. Das ist kein Problem und so ziehen wir glücklich um. Davor aber habe ich noch geduscht, es gab zum ersten Mal heißes Wasser. Wir waschen auch unsere Sachen, die müffeln schon mittlerweile. Da es mehrere Möglichkeiten gibt einzukehren, entscheiden wir uns vorerst für eine Bar in der Sonne, wo wir genüsslich Bier trinken. Danach essen wir noch auf der Hütte und verbringen den restlichen Tag bei leckerem Wein.




15. August 2019    Tag 4
Refuge Ascu Stagnu - Refuge de Tighjettu
8,0 h, 8,77 km, 1192 Hm↑, 1159 Hm↓

Heute geht es hoch hinaus. Der höchste Punkt des GR wartet auf uns. Und es wird auch ein langer Wandertag werden, wir stehen um zwanzig vor sechs auf. Unsere Rucksäcke packen wir noch im Dunkeln, beim Frühstück geht 4,1die Sonne langsam auf. Ein herrlicher Tag kündigt sich an. Es geht sofort mit dem Aufstieg zum Pointe des Eboulis los. Er ist steil und lang, wir haben knapp 1200 Höhenmeter vor der Brust. Aber es fällt uns erstaunlich leicht, den Berg immer weiter zu erklimmen. Tatsächlich brauchen wir bis oben hin keine Pause. Der Anstieg ist nicht monoton, immer wieder sorgen Kletterstellen für Abwechslung. Auf 2607 m Höhe erreichen wir den Pointe des Eboulis, wo einige Leute eine Rast einlegen. So auch Ywi, ich lasse alles Überflüssige bei ihr und mache mich auf den Weg zum Monte Cinto, der mit seinen 2706 m der höchste Berg Korsikas ist. Etwas übermütig kürze ich den Weg zum Gipfel ab. Das beschert mir schöne Kletterei, was mir sehr gut gefällt, allerdings, als ich an einem unüberwindbaren Abgrund lande, wird mein Gesicht länger. Mein Versuch scheitert, ich klettere zurück, bis ich auf den mit Steinmännern gekennzeichneten Weg zu4,2m Gipfel treffe. Die Aktion hat Zeit gekostet, ich beeile mich den Gipfel zu erreichen. Die Aussicht von hier oben ist phantastisch. Das Wetter spielt mit, ich habe sehr gute Sicht auf die umliegenden Gipfel und das Meer in der Ferne. Als mich plötzlich zwei Französinnen wegen eines Photos ansprechen, wird mein Englisch auf die Probe gestellt. Es klappt aber recht gut, was mich sehr freut, die praktische Anwendung einer Sprache, die man gerade lernt, ist immer die beste Motivation sie weiter zu erlernen. Es entwickelt sich ein nettes Gespräch, in dem ich etwas über Geocaching erzählen kann. Auf dem Gipfel treffe ich außerdem Joana und Christian, ein Pärchen aus München, das wir schon vor zwei Tagen in Refuge de Carozzu kennen gelernt haben. Beide sind begeisterte Bergsteiger, die, ähnlich wie ich, keinen Gipfel au4,3slassen. Der Abstieg zu Ywi ist dann nicht mehr schwer, jetzt kenne ich den Weg. Bei ihr angekommen, stelle ich fest, dass die ganze Aktion fast zweieinhalb Stunden dauerte. Das Wetter bleibt aber stabil, wir haben keine Eile, so mache ich auch erst mal eine kurze Pause, bevor wir dann mit dem genau so steilen Abstieg beginnen. Dieser ist zwar anstrengend, aber auch sehr abwechslungsreich, so staunen wir nicht schlecht, wie schnell wir an der Hütte ankommen. Der Wirt, der einige Brocken deutsch spricht, ist sehr sympathisch, ebenfalls die zwei jungen Mädels, die ihn bei der Arbeit unterstützen. Zu unserer Freude sind die Betten auch noch wanzenfrei! Wir werden heute gut schlafen. Nach dem anstrengenden Tag aber genehmigen wir uns erst einmal ein Bier draußen, bevor uns die Kühle gegen Abend in die Hütte treibt. Beim Essen lernen wir Domingo und Maurizio kennen, einen Portugiesen und einen Italiener. Domingo erweist sich als Stimmungskanone, wir verbringen einen sehr netten und lustigen Abend, trinken dabei Wein und lassen uns vom Wirt Aquavita aus einer Sprühflasche in den Mund spritzen. Da gibt es viel zu lachen, alle müssen mitmachen, es gibt keine Ausrede. Wir gehen kurz vor der Nachtruhe in unsere Betten, es war bisher der schönste Abend auf der Tour.




16. August 2019    Tag 5
Refuge de Tighjettu nach Castellu di Verghio
6,5 h, 15 km, 670 Hm↑, 850 Hm↓

Obwohl die heutige Etappe nicht wirklich lang ist, stehen wir trotzdem im Dunkeln auf. Schließlich steht noch zusätzlich die Besteigung des Paglia Orba an, auf die 5,1ich mich besonders freue. Wir sind die ersten, die aufstehen. So gut das Essen gestern Abend war, so mager ist das Frühstück heute. Es gibt Zwieback und Kekse, dazu einen Krug kalten Kaffee. Ich nehme mir die Zeit und mache ihn erst mal warm am Herd. Trotzdem schaffen wir es, mit dem Sonnenaufgang kurz nach sechs die Hütte zu verlassen. Nach einer knappen halben Stunde laufen wir an der Bergerie de Ballone vorbei, wo die ersten Wanderer sich ebenfalls auf den Weg machen. Eine weitere Stunde später beginnt der Aufstieg zum auf 1991 m Höhe liegenden Refuge Ciuttulu di i Mori, das wir dann tatsächlich noch vor 10 Uhr erreichen. Das ist gut, für die Besteigung des Paglia Orba soll man gut dreieinhalb bis vier Stunden einplanen. Ich bin schon sehr aufgeregt. Ywi macht es sich an der Hütte bequem, während ich mich meines überflüssigen Gepäcks entledige und zum Gipfel aufbreche. Die Königin der korsischen Berge, oft auch das Matterhorn Korsikas genannt, trägt den Namen Paglia Orba und ist mit seinen 2525 m nicht der höchste, aber der schönste und der wildeste Gipfel Korsikas. Anders als gestern5,2 auf dem Monte Cinto ist hier heute nicht viel los. Die meiste Zeit bin ich alleine unterwegs. Nach zwanzig Minuten erreiche ich den Einstieg. Ab sofort geht es nur noch kletternd aufwärts, richtig wild. Es ist echt ein Abenteuer. Es fällt mir schwer, den richtigen Weg zu finden, öfter muss ich wieder abklettern. Als ich oben ankomme, staune ich nicht schlecht. Den eigentlichen Gipfel sehe ich in einiger Entfernung hinter einem steilen Abgrund. Nützt alles nic5,3hts, ich muss wieder abklettern und auf der anderen Seite wieder hochklettern. Auf der anderen Seite angekommen, kann ich ganz entspannt den eigentlichen Gipfel in5,4 einer schon spaziergangähnlichen Wanderung erreichen. Hier oben ist er nicht mehr steil und wild, im Gegenteil, die letzten Meter fast kinderwagentauglich. Bei der Besteigung traf ich gerade mal auf fünf Leute, zwei davon treffe ich zu meiner Freude oben am Gipfel und zwar die beiden Bergziegen aus München, Joana und Christian. Oben angekommen gönne ich mir eine längere Pause, während der ich fasziniert die Bergkulisse betrachte. Leichte Sorgen macht mir der Rückweg, hoffentlich finde ich den richtigen. Eineinhalb Stunden später stehe ich aber überglücklich bei Ywi, die Sorgen waren unbegründet. Nach einer kurzen Pause machen wir uns aber auf den weiteren Weg, wir haben noch gut zweieinhalb Stunden vor uns. Unterwegs merke ich die Kraxelei von heute Morgen in den Oberschenkeln. Der Abstieg zieht sich etwas. Zum Glück ist er nicht all zu steil, die letzte halbe Stunde verläuft der Weg sogar flach. Ich glaube, das ist das erste Mal hier auf Korsika. Das Castellu di Verghio ist eine private Hütte, die sich als eine luxuriöse, saubere Wanderherberge entpuppt. Wir duschen heiß, decken uns in dem für korsische Verhältnisse großen Laden mit Proviant ein, gönnen uns in dem dazugehörigen Restaurant ein frisch gezapftes Pietra und verbringen den restlichen Abend bei einer Flasche Wein auf der sonnigen Terrasse der Herberge.




17. August 2019    Tag 6
Castellu di Verghio nach Refuge de Manganu
6,0 h, 15,7 km, 620 Hm↑, 400 Hm↓

 Die bequemen Betten und die Stöpsel in den Ohren lassen uns lange schlafen, wir sind mit die letzten, die aufstehen. Die meisten sind sogar schon weg. Da es frisches Brot gibt, frühstücken wir ausgiebig, so wie wir es aus Deutschland kennen, mit Wurst und Käse, mit reichlich Kaffee, einzig Rühreier fehlen. Das können wir uns alles erlauben, da uns heute eine recht leichte und kurze Etappe erwartet. Die ersten eineinhalb Kilometer geht es flach, anfangs durch einen schattigen Wald. Es folgt ein sanfter Anstieg, an dessen Anfang wir nach kurzer Ze6,1it die Kapelle San Pedru erreichen, wo wir Domingo und Maurizio antreffen. Immer wieder drehen sich unsere Köpfe zurück, um die gewaltigen Gipfel der letzten Tage nochmal zu sehen und Abschied von ihnen zu nehmen. Wir laufen noch ein Stück weiter, aber schon bald nutzen wir eine schöne Wiese für eine ausgiebige Pause. Unsere beiden neuen Freunde gesellen sich zu uns und zu viert liegen wir in der Sonne, träumen vor sich hin, genießen die Zeit. Nach der Pause bewältigen wir die letzten Meter bis zur Bocca a Reta, die immerhin auf 1883 m Höhe liegt. Kommt uns gar nicht so hoch vor. Ab hier geht es wieder in einem sehr sanften Abstieg hinunter. Schon nach kurzer Zeit erblick3,2en wir den Lac de Nino, einen der größten und wärmsten Bergseen Korsikas. Der Blick von hier oben ist phantastisch. Wir laufen hinunter. Viele Menschen liegen am Ufer des Sees. Dazwischen weiden Pferde und Kühe. Es sieht sehr lustig aus. Eine ganze Zeit laufen wir am Ufer des Sees entlang, bevor der GR uns weiter führt zum nicht mehr all zu weit entfernten Refuge de Manganu. Wir kommen recht früh an der Hütte an und freuen uns erst mal über die Tatsache, dass sie wanzenfrei is6,3t und wir nicht im Zelt schlafen müssen. Eigentlich wollen wir noch einen der umliegenden Gipfel besteigen, aber die Atmosphäre an der Hütte ist so nett, dass wir das ein oder andere Pietra bevorzugen. Die Leute kennen sich mittlerweile untereinander, es ist wieder mal ein sehr netter Abend. Liegt aber auch an unserem Sonnenschein Domingo, der wie fast jeden Abend für Stimmung sorgt. Für Abwechslung sorgt eine deutsche Familie, die abends an der Hütte ankommt. Sie ist mit zwei Eseln unterwegs, die die Lasten der Familie tragen. Wir und die anderen finden es recht spannend. Die Kinder sind begeistert, sie versorgen die Tiere und reiten anschließend eine Runde. Wie die ganze Zeit eigentlich in den Bergen, so können wir auch heute keinen Mobilfunk empfangen; so wissen wir nicht, wie unser Verein heute gegen Gladbach die Saison eröffnet hat. Vielleicht ist es auch besser so...





7,1
18. August 2019    Tag 7
Refuge de Manganu nach Refuge de Petra Piana
6,5 h, 8,6 km, 870 Hm↑, 630 Hm↓

Heute steht die wohl schönste Etappe der Tour an. Wir freuen uns schon sehr. Beim Frühstück singen wir Maurizio ein Geburtstagsständchen, er wird heute 57 Jahre alt. Er f7,2reut sich sehr. Danach geht es auch schon los. Wir brauchen gut zweieinhalb Stunden für den anstrengenden Aufstieg zur Breche de Capitello. Wieder gibt es einige kleine Kletterstellen, es ist ein herrlicher Weg. Aber als wir oben ankommen, stellt der Ausblick alles andere in den Schatten. Einfach nur gran7,4dios, uns verschlägt es die Sprache. Die beiden Seen, Lac de Capitello und Lac de Melo sind umgeben von bizarren Felsformationen, es ist unglaublich schön. Wir machen hier, wie viele andere auch, eine kurze Rast und genießen den Augenblick. Danach geht es weiter zum Col de Rinoso. Die ganze Zeit wissen wir nicht so richtig, wohin wir schauen sollen. Das phantastische Panorama bleibt uns die ganze Zeit erhalten und es ist bei dem schwierigen Weg gar nicht so einfach, genug davon zu bekommen. Letztes Jahr sind wir von unten bis zum Lac de Melo gewandert, da fanden wir es schon toll, von hier oben ist die Sicht atemberaubend. Von der Bocca Muzzella steigen wir zum Refuge de Petra Piana ab. Auch hier können wir leider nicht in den Betten schlafen, wieder gibt es Wanzen. Wir nehmen vorlieb mit dem Zelt, mittlerweile sind wir es gewohnt und finden es nicht weiter schlimm. Es ist eine reine Selbstversorgerhütte, wir kochen Spaghetti mit Tomaten und Thunfisch, es schmeckt köstlich. Da es noch recht früh ist, machen wir einen kleinen Spaziergang, bei dem wir den Einstieg für die morgige Besteigung des Monte Rotondo erkunden.
7,3






















19. August 2019    Tag 8
Refuge de Petra Piana nach Refuge de l'Onda
4,5 h, 10,5 km, 500 Hm↑, 900 Hm↓

8,1 Uns erwartet heute eine recht kurze Etappe, allerdings möchte ich als erstes auf den Gipfel des 2622 m hohen Monte Rotondo, den zweithöchsten Gipfel Korsikas. Die Tour ist mit vier Stunden angegeben, so stehe ich schon um 5.30 Uhr auf. Ich schleiche leise aus dem Zelt, damit Ywi nicht wach wird, ziehe mich draußen an und koche mir erstmal einen Kaffee. Danach laufe ich los. Ich bin ganz alleine unterwegs. Die Wegfindung macht keine Probleme und ich komme recht gut voran.  Am Lavu Bellebone, einem wunderschönen, recht großen See mache ich meine erste Pause. Die ersten 500 Höhenmeter liegen hinter mir. Nur noch gut 300 m bis zum Gipfel. Kei8,2ne ganze Stunde brauche ich dafür. Wieder mal werde ich mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Viele Gipfel, die ich sehen kann, haben wir in den letzten Tagen bestiegen, ich komme mir so klein vor, vor dieser gewaltigen Kulisse. Nach einer ausgiebigen Pause fange ich mit dem Abstieg an. Leider komme ich von der eigentlichen Route ab und muss einen Umweg laufen und mir einen Weg suchen. Nach einer etwas schwierigeren Kletterstelle komme ich aber auf den Normalweg zurück und ab da verläuft der Abstieg problemlos. Unten wartet Ywi schon mit dem Frühstück auf mich. Als wir an der Hütte los laufen zeigt die Uhr 11 Uhr an. Eine herrliche Gratwanderung erwartet uns. Wir genießen je8,3den Schritt. Einzig gegen Ende der Etappe finden wir den steilen Abstieg anstrengend, unsere Knie melden sich. Da das Refuge wegen Wanzenbefalls dicht ist, ist die Bergeries de l'Onda unsere heutige Herberge, welche wir lange vor der Ankunft erblicken können. Gezeltet wird hier auf einer wunderschönen, grünen Wiese; im Vergleich zum steinigen Untergrund bisher, ein echter Luxus. Wir legen unsere Isomatten vor das Zelt und nehmen ein Sonnenbad. Zum Abendessen kaufen wir leckeren Bergkäse, den wir zu Spaghetti essen. Die Hütte ist ein Familienbetrieb, wir fühlen uns hier sehr wohl, sitzen bis in den Abend hinein auf der Terrasse bei einer Flasche Wein und genießen die nette Atmosphäre.











20. August 2019    Tag 9
Refuge de l'Onda nach Vizzavona
6,0 h, 10,6 km, 700 Hm↑, 1200 Hm↓


9,1 Herrlich ausgeruht wachen wir auf. Draußen gibt es schon einigen Trubel, wir aber lassen uns wieder mal viel Zeit, genießen erst unser Frühstück. Die ersten zwei Stunden der heutigen Etappe sind ein steiler Aufstieg. Über 700 Höhenmeter müssen wir bewältigen, bis wir die Crete de Muratello erreichen, welcher uns einen phantastischen Blick über das Gebirge bietet. Von hier aus nehmen wir den mit gelben Punkten markierten Abzweig zum Monte d'Or9,2o. Bis zum Gipfel gestaltet sich die Wegführung schwierig, wir müssen die ganze Zeit konzentriert bleiben. Auf den letzten Metern erwarten uns noch einige knackige Kletterstellen, aber eineinhalb Stunden nach der Crete de Muratello erreichen wir den 2389 Meter hohen Monte d'Oro. Das hat aber Spaß gemacht. Wieder mal sind wir fasziniert von der grandiosen Aussicht. Wir verweilen einige Zeit hier oben und genießen die Zeit. Direkt danach geht es sehr steil herunter, wieder kommen vermehrt die Hände zum Einsatz. Schnell purzeln die Höhenmeter 9,3dahin, der Abstieg ist echt brutal. Aber auch dieser hat irgendwann ein Ende, das Gelände wird flacher, wir erreichen einen Wirtschaftsweg, den wir mehrmals überqueren. Zum Schluss wird der Weg noch flacher, uns kommen sogar ganze Familien samt Kinderwagen und Großeltern entgegen. In unserer Vorstellung war das Städtchen viel größer. In der Wirklichkeit erwarten uns neben dem Campingplatz einige Häuser, zwei wirklich kleine Tante Emma Lädchen, zwei Restaurants und ein Hotel. Das war es. Ach so. Es gibt hier noch einen Bahnhof. Von hier kann man mit dem Zug die Berge verlassen. Wir übernachten in der Wanderherberge des Hotels, einem äußerst luxuriösen und vor allem einem bildhübschem Haus. Wir verzichten auf ein warmes Essen in der Stadt und begnügen uns mit frischen Baguettes mit dem so leckeren Bergkäse, die wir in dem wunderschönen Garten des Hotels, direkt vor unserem Haus genießen. Dabei lernen wir eine Gruppe polnischer Wanderer kennen, die den GR von Süd nach Nord laufen. Wir erfahren schon einiges Interessantes über die nächsten Tage, der Charakter des Weges soll sich ändern.






21. August 2019    Tag 10
Vizzavona nach Gite U Fugone    
5,30 h, 15,7 km, 860 Hm↑, 190 Hm↓

Irgendwie muss der Wein gestern Abend nicht so gut gewesen sein, ich habe schlecht geschlafen und10,1 stehe mit Kopfschmerzen auf. Die frische Bergluft wirkt aber Wunder und schon auf dem Rückweg vom Einkaufen werde ich sie los. Der Duft der frischen B10,2aguettes lockt Ywi aus dem Bett und wir frühstücken. Wir befinden uns hier tatsächlich an dem tiefsten Punkt des GR, und das auf 920 m über dem Meer! Gestern erzählten die Polen etwas von Hobbit-Wäldern und Harry-Potter-Feeling. Als wir die vom Wind und Sonne verformten, knorrigen Baumstämme sehen, wissen wir, was sie meinten. Tatsächlich geht es jetzt öfter durch Wälder, die Umgebung wird deutlich grüner. Unterwegs passieren wir einige Bergerien und zum ersten Mal auf dem GR tatsächlich eine richtige Straße, sogar zwei insgesamt auf der heutigen Etappe. Es sind zwar fast 900 Höhenmeter, die wir heute bewältigen, allerdings merken wir sie kaum, der anfängliche Anstieg ist nicht all zu steil und ab der Bocca Palmente laufen wir annähernd auf gleicher Höhe bis zur Gite U Fugone. Wir staunen nicht schlecht, als wir sie erreichen, sie liegt direkt an der Talstation des Skiliftes. Die Skipiste wirkt völlig deplatziert in der wilden Berglandschaft Korsikas. Die Hütte selbst ist recht groß mit einer Bar ausgestattet und modernen Sanitäreinrichtungen. Man merkt den Einfluss des Skitourismus deutlich. Den größten Teil des Nachmittags verbringen wir auf der Sonnenterrasse, bevor wir abends in der Bar korsisch essen. Wir kennen erstaunlicher Weise recht wenig Gesichter, es gibt viele neue Wanderer, einige deutsche. Wie so oft wird der Abend recht unterhaltsam, die üblichen Geschichten des GR machen die Runde.



22. August 2019    Tag 11
Gite U Fugone nach Refuge de Prati
6,0 h, 17,5 km, 890 Hm↑, 590 Hm↓

11,1 Immerhin gibt es Baguettes statt Kekse zum Frühstück mit reichlich Marmelade und Kaffee. Uns erwartet, obwohl wir schon zwei offizielle Etappen zusammengefügt haben, eine kurze Etappe heute. Allerdings kann es 11,2am Nachmittag regnen. Es geht wenig anstrengend zu am heutigen Tag; ohne all zu große Höhenunterschiede wandern wir meist durch schattige Wälder in knapp vier Stunden bis zum Col de Verde. Immer wieder staunen wir über das viele Grün, immer mehr fühlen wir uns an Schottland erinnert. Nur mit schönem Wetter. In der Gite am Col de Verde machen wir eine ausgiebige Pause, die hölzerne Hütte ist liebevoll eingerichtet und der Wirt wirkt sehr sympathisch. Auf jeden Fall kann er vorzüglichen Espresso zub11,3ereiten. Als wir weiter laufen, zieht sich der Himmel allmählich zu. Wir haben keine zwei Stunden mehr vor uns, allerdings ist es fast ausschließlich ein steiler knapp 600 Meter hoher Anstieg. Wir beeilen uns, um vor dem Regen auf der Hütte anzukommen, das gelingt uns aber nicht ganz. Der letzte Kilometer vor der Hütte verläuft über eine flache grüne Wiese. Genau hier erwischt uns der Regen. Und nicht nur das. Große Hagelkörner und ein Gewitter folgen. In Sekundenschnelle ist alles weiß um uns herum. Das Zentrum des Gewitters ist beängstigend nah. Es ist soweit, eines dieser berüchtigten und so typischen Gewitter für die korsischen Berge hat auch uns erwischt. Plötzlich laufen wir durch einen wadenhohen, reißenden Bach. Natürlich werden unsere Füße klatschnass. Zum Glück erreichen wir die Hütte in weniger als 15 Minuten und werden herzlich und erleichtert empfangen. Auch sehr typisch für hier ist, dass wir keine halbe Stunde später wieder im Sonnenschein sitzen können. Vom Gewitter keine Spur mehr. Unsere Sachen werden schnell trocken und wir genießen den restlichen Tag.



23. August 2019    Tag 12
Refuge de Prati nach Refuge d'Usciolu
6,0 h, 10,7 km, 700 Hm↑, 700 Hm↓

Als ob wir eine magische Grenze überquert hätten, im südlichen Teil des 12,1Gebirges wird das Wetter unbeständiger. Also wir haben immer noch phantastisches Wetter, können den Sonnenschein genießen, es gibt nur täglich für den Nachmittag eine Unwetterwarnung. So auch heute. Jammern nützt da nicht viel, wir halten uns ran und sehen zu, dass wir schnell vorankommen. Das gelingt uns ganz gut, allerdings Zeit für eine gemütliche Pause ist nicht drin. So können wir nur beim Laufen die Gegend betrachten, man bekommt schon etwas weniger mit. Als wir an dem Refuge de Prati ankommen, ist der Himmel bedenklich dunkel. Keine halbe Stunde später setzt der Regen ein, auch das Gewitter lässt nicht lange auf sich 12,2warten. Die Stube der Hütte ist recht klein und völlig überfüllt, hier kommen wir nicht unter. Leider gibt es draußen keinen überdachten Bereich, so warten wir das Gewitter auf dem Lager der Hütte ab. Zum Glück ergattere ich noch vor dem Regen zwei Pietra. Anders als gestern verzieht sich der Regen nicht mit dem Gewitter. Es regnet den ganzen Abend. Mal mehr, mal weniger. In dem kleinen Laden der Hütte habe ich das Glück, die letzte Schachtel Zigaretten für stolze 10 EUR zu ergattern. Ob es Glück ist, ist dahingestellt. Da es die einzige Schachtel war, kommen immer wieder Leute zu mir zum Schnorren und abends sind die Zigaretten fast alle. Auch hier ist an eine Übernachtung im Lager wegen der Wanzen nicht zu denken. Wir beziehen ein Zelt und verbringen den größten Teil des Nachmittags mit Lesen, Schreiben und Schlafen. Es ist ein wenig deprimierend. Irgendwann schnappe ich mir einen Sonnenschirm, unter dem ich unser Essen an der Kochstelle zubereite. So haben wir tatsächlich etwas Regenschutz. Wie durch ein Wunder hört der Regen zum Essen tatsächlich für eine Viertelstunde auf, danach geht er allerdings weiter. Wir schlafen früh ein.




24. August 2019    Tag 13
Refuge d'Usciolu nach Refuge de Matalza
4,5 h, 10,9 km, 290 Hm↑, 660 Hm↓

Entwed13,1er durch den gestrigen Regen, oder wie auch immer, starten wir etwas sentimental in den Tag. Uns wird leider bewusst, dieses wunderschöne Abenteuer geht langsam zu Ende. Den heutigen Tag eingerechnet, bleiben uns nur noch drei Wandertage, bis wir Conca erreichen. Wieder ist ein Unwetter für heute Nachmittag angesagt. Laut dem Wanderführer sind wir aber nur viereinhalb Stunden unterwegs heute, wir haben keinen Grund zur Eile. Anders als Gestern nehmen wir uns deutlich mehr Zeit, sowohl fürs Wachwerden, Frühstücken wie vor allem aber auch für das Wandern an sich. So bekommen wir auch eine ganze Menge mehr mit von der Umgebung als Gestern. Direkt nachdem wir los gelaufen 13,2sind, begegnen wir einer Einheimischen, die uns etwas Angst einjagt; sie warnt uns vor dem aufziehenden Gewitter. Weite Teile des Weges haben wir Mobilfunk und die Prognose ist eindeutig, das Gewitter kommt erst am Nachmittag. Wir ignorieren die Warnungen und laufen entspannt weiter. Der südliche Teil des Gebirges wird oft mit den Dolomiten verglichen, tatsächlich wird man an die Region erinnert, genauso wild, nur kleiner. Besonders zum Tragen kommt dies auf dem Arete des Statues, dem Denkmalgrat. Jeder Fels erinnert an eine künstlerische Statue, einem Denkmal. Wir sind fasziniert. Bald erblicken wir auch schon den Monte Incudine, dessen korsicher Name lautet Alcudina. Den werden wir morgen besteigen und wissen, dass es die letzte Herausforderung unserer Wanderung werden wird. Der Weg ist einfach, die Vegetation wird immer üppiger. Moos überwucherte Felsen oder Baumstämme sind jetzt keine Seltenheit, jetzt fühlen wir uns wirklich nach Schottland versetzt. Als wir die letzten Kilometer vor dem Refuge de Matalza dem Verlauf des Ruisseau de Parturso folgen, den wir immer wieder abenteuerlich überqueren müssen, pa13,3ssiert es endlich. Wir begegnen zum ersten Mal einem Korsischen Wildschwein. Während wir etwas ängstlich das eine oder andere Bild machen, starrt uns das Vieh nur dämlich an. Sonst keine Regung. Es ist völlig zahm, kein bisschen ängstlich oder scheu. Wir sind ihm einfach völlig egal. Kurz danach, es ist Mittagszeit, erreichen wir das Refuge. Die Sonne scheint meistens, nur ab und zu fieselt es leicht; wir lassen unsere Sachen auf dem Lager und unternehmen eine kleine Wanderung, während dieser wir weiteren Wildschweinen begegnen. Jetzt ist es ein ganzes Rudel, wieder mal völlig harmlos. Langsam gewöhnen wir uns an sie, wir legen unsere Ängstlichkeit allmählich ab. Die Hütte verfügt über eine wunderschöne, überdachte Terrasse, unter der man sogar einen Weltuntergang abwarten könnte. Wir verbringen den Nachmittag dort, es ist nicht viel los, hier sitzen vielleicht zehn Leute, ausschließlich Franzosen. Wir essen vorzüglich, der Wirt hat viel zu erzählen, wir verstehen zwar nicht all zu viel, aber irgendwie ist es mega gemütlich. Einzig das Gewitter kommt nicht. Der Tag geht mit herrlichem Sonnenschein zu Ende. Wir müssen zwar nicht in einem Zelt schlafen, die Feldbetten auf der Hütte sind aber auch hartes Brot. Dafür gibt es eine heiße Dusche, die wir natürlich ausgiebig nutzen. Morgen erwartet uns ein langer Tag, wir gehen rechtzeitig schlafen.



25. August 2019    Tag 14
Refuge de Matalza nach Col de Bavella
9,0 h, 21,2 km, 815 Hm↑, 1000 Hm↓

14,1
Wie in den letzten Tagen schon, auch für heute Nachmittag sind Gewitter angekündigt. Vor uns liegt eine Doppeletappe, gut 10 Stunden werden wir unterwegs sein. Den Wecker haben wir auf 4.30 Uhr gestellt. Allerdings ist er es nicht, der uns weckt, sondern andere Wanderer, die noch früher aufgestanden sind. Es ist stockdunkel draußen, wir müssen die erste Stunde mit Kopflampen laufen. Als wir die Bergerie Croce erreichen, wird es allmählich hell, auch hier gibt es schon regen Betrieb, die ersten machen sich auf den Weg. Gegen 7.00 Uhr machen wir unsere Frühstückspause, mit leerem Magen läuft es sich nicht so gut. Wir genießen den Blick auf den Monte Incudine, mit 2134 Metern den letzten hohen Gipfel unserer Tour. Danach geht es hinauf. Der Aufstieg fällt uns erstaunlich leicht, wir erreichen den Gipfel nach etwas über drei Stunden nach dem Start heute Morgen, alles läuft nach Plan. Mal wieder ist der Ausblick gigantisch. Viele der Gipfel im Norden erkennen wir wieder, schließlich haben wir einige von denen bezwungen. In südlicher Richtung können wir bis nach Sardinien gucken, phantastisch. Kein Gipfel versperrt uns die Sicht Richtung des Meers, uns wird klar, wir haben die Berge bezwungen. Vor uns liegen die Gipfel der Bavella, von hier oben allerdings sehen sie eher zahm und unscheinbar aus. Lange schauen wir in nördliche Richtung und nehmen Abschied von den Bergen. Es folgt ein steiler Abstieg zum Refuge d'Asinau, bei dem Ywi sich leider das Innenband des Knies überdehnt; ab sofort geht es sehr langsam voran, es ist mitnichten an die Überschreitung der Bavella Türme zu denken; wir laufen um sie herum, was zwar deutlich länger dauert, aber uns mit grandiosen Aussichten belohnt. Anders als vom Gipfel des Monte Incudine, wirken die Felsen von hier aus groß,wild, unerreichbar. Wir haben Glück und laufen oft im Sonnenschein, allerdings machen 14,2uns die dunklen Wolken, die wir ständig sehen können, schon etwas Sorgen. Die letzten Meter bis zum Col de Bavella ziehen sich ganz schön. Langsam werden wir müde. Zum Glück bleibt es heute den ganzen Tag trocken, auch das Gewitter kommt nicht. An der Unterkunft angekommen sind wir begeistert. Die Auberge du Col de Bavella erweist sich als eine luxuriöse Unterkunft mit einem phantastischen Restaurant. Wir sind zu zweit auf einem 6-Bett-Zimmer, wir haben eine eigene Dusche und eine eigene Toilette. Wir machen uns frisch und lassen uns anschließend mit einem grandiosen, mehrgängigen Essen verwöhnen, das in dieser schönen Atmosphäre unvergesslich bleiben wird. Es ist uns schon öfter aufgefallen, dass die Wanderer auf dem GR genau so gut behandelt werden wie die zahlungskräftigeren Tagesgäste, zu keinem Zeitpunkt kommt man sich als Gast zweiter Klasse vor. Das haben wir zur Genüge in den Alpen anders erlebt. Wir verbringen den Abend in Erinnerungen schwelgend.





26. August 2019    Tag 15
Col de Bavella nach Conca
6,5 h, 18,1 km, 400 Hm↑, 1350 Hm↓

15,1 Alles Schöne hat ein Ende, so auch unser Abenteuer in den Bergen Korsikas. Heute werden wir Conca erreichen, der GR geht dort zu Ende. Die bequemen Betten bescherten uns eine geruhsame Nacht und wir s15,2pringen förmlich aus den Betten, als der Wecker klingelt. Auch heute müssen wir im Dunkeln los laufen, wir wollen Conca vor 13 Uhr erreichen, denn um diese Uhrzeit fährt unser Bus Richtung Strand. Wieder wundern wir uns, dass wir nicht die einzigen sind, die in dieser frühen Stunde unterwegs sind. Wir nutzen die große, gut ausgestattete Küche und bereiten uns das Frühstück mit reichlich Kaffee vor, bevor es dann zum letzten Mal los geht. Ab sofort bedeutet jeder einzelne Schritt Abschied nehmen; wir kosten jeden einzelnen aus. Nach etwas mehr als einer Stunde 15,3erreichen wir das Refuge de Paliri. Zwei Mädels frühstücken noch, ansonsten sind schon alle weg. An dem Refuge sammeln wir als erstes die letzten Informationen, um den Geocache, den wir vor mittlerweile zwei Wochen in Calenzana angefangen haben, zu Ende zu bringen. Wir ermitteln die Koordinaten und landen tatsächlich punktgen15,4au an dem Versteck. Wir sind erleichtert, schließlich haben wir heute nicht all zu viel Zeit für eine lange Sucherei am Final. Aber wir sind tatsächlich sehr gut in der Zeit, wir kosten jeden einzelnen Schritt richtig aus. Beim Aufstieg zur Bocca d'Usciolu wird uns klar, es sind die letzten Meter bergan, danach geht es ausschließlich runter. Wie in Trance erreichen wir Conca, passender weise endet der GR in dem Ortsteil mit dem 15,5Namen Radicale. Am Ende des Weges hängt eine Erinnerungstafel, natürlich ist hier ein Photo für uns obligatorisch. Die letzten Meter laufen wir über die Straße zur Gîte d'etape La Tonnelle, der Hütte der Ankunft, wo wir uns natürlich als Belohnung trotz der noch recht frühen Uhrzeit erst mal ein Bier gönnen. Unsere Freude wird riesig, als plötzlich Maurizio zu unserem Tisch stößt, er ist schon gestern hier angekommen. Damit haben wir nicht gerechnet, schließlich sahen wir ihn schon seit Tagen nicht mehr. Unsere Eindrücke werden getauscht, ein weiteres Bier geköpft. Leicht beschwipst besteigen wir gemeinsam den Bus, mit dem es für uns nach Moriani Plage geht, während Maurizio weiter bis nach Bastia fährt.